Das Gespräch im Ohrensessel

Auf eine Tasse Tee mit ... Knut Diers

Lieber Herr Diers, nehmen Sie bitte Platz in meinem Ohrensessel. Lassen Sie alles sacken und greifen doch bitte zum Weißen Tee, wenn Sie möchten.
Haben Sie so etwas wie ein Lebensmotto?

Mehrere. Nehmen wir mal dies: Jeder Tag, an dem Du nicht lachst, ist ein verlorener Tag. Der Begrüßungssatz auf meinem Handy, der erscheint, wenn ich es einschalte, lautet dazu passend: Schon gelacht? Außerdem bin ich ausgebildeter Lach-Yogi.

Lach-Yogi? Was macht man da so?
Fünf Minuten Dauerlachen sind so gesund wie 20 Minuten Joggen. Es gibt rund um die Welt Lachclubs, weil wir lieber in geschütztem Kreis lachen. Wenn Sie auf der Straße loslachen, das irritiert doch viele. Zum Lach-Yoga gehören auch Atem-, Klatsch- und Dehnübungen sowie Pantomime. Wir lachen nicht, weil wir glücklich sind, wir sind glücklich, weil wir lachen. Das geht, ganz ohne Witz.

Verstehe (lacht los), ganz ohne Witz. Was ist für Sie denn Glück?
Glück ist für mich alles, was den Augenblick aufhebt. Das kann der Anblick eines verschneiten Waldes im Sonnenlicht sein. Es kann ein Kuss sein oder ein auftauchender Wal. Es sind die Momente, wenn die Zeit stillsteht. Es gibt nicht das große, immerwährende Glück, sondern es sind die vielen kleinen Dinge im Alltag, die mich glücklich machen. Das Glück liegt in jedem selbst, schade nur für alle, die das erst erkennen, wenn sie vielleicht 80 sind. Stellen Sie sich mal folgendes vor: Sie haben in einem Wettbewerb einen Preis gewonnen. Eine Bank zahlt Ihnen täglich 86.400 Euro. Doch, was Sie an dem Tag nicht ausgeben, verfällt. Sie können es nicht aufsparen oder übertragen auf ein anderes Konto. Dafür ist jeden Morgen wieder der Betrag auf dem Konto. Nur plötzlich kann alles ohne Vorwarnung vorbei sein. Das Spiel ist aus. Sie haben null Euro. Was würden Sie tun? Jeden Cent ausgeben, ihn nutzen, für andere und für sich - wahrscheinlich wäre das Ihre Antwort. Denken Sie noch einmal neu nach, denn jetzt sage ich Ihnen die richtige Währung - es ist die Zeit. Jeden Tag haben Sie 86.400 Sekunden auf dem Konto und plötzlich kann alles vorbei sein. Was machen Sie täglich mit diesen 60 mal 60 Sekunden mal 24 Stunden?

Was tun Sie denn gern an einem Tag?
Ich mag gute Gespräche, fahre gern Rad, kann einen guten Wein genießen. Ich spüre eigentlich immer gut, was mir fehlt, und wenn ich es dann tue, geht es mir wunderbar. Aber ich denke oft an diese täglichen 86.400 Sekunden. Das hilft mir, öfter zu genießen, die einzelnen Sekunden nämlich. Das Hier und Jetzt.

Hören Sie Stimmen (lacht), das Lach-Yoga wirkt schon, ich muss mich präzisieren: Hören Sie gern Musik?
Das Lied »My way« finde ich genial, da bekomme ich immer Gänsehaut. Dann höre ich gern Lana del Rey (Young and beautiful), Adele oder Coldplay, Sting oder die Red Hot Chili Peppers. Ich höre tatsächlich sehr gern Stimmen, die vom unvergessenen Otto Sander zum Beispiel. Er las mal die Lieblingsgedichte der Deutschen, das ist mir im Ohr. Das berührt mich, wie er »Ribbeck auf Ribbeck im Havelland« sagt.

Haben Sie auch einen Lieblingsmaler?
Mir gefällt Claude Monet. Ich war mal in seinem Garten in Giverny, wo die Seerosen wachsen. Beeindruckend. Auch ich male manchmal. In unserer Küche hängt das Ölbild »Der durchdachte Kopf« von 2002. Damals stand die Staffelei ein halbes Jahr in unserer Wohnung für jeden da, der uns besuchte. Wer wollte, konnte auf einem Feld etwas Persönliches malen. Die Struktur und den Hintergrund – ein Gesicht – habe ich vorgemalt. Das ist ein tiefblickendes Bild unserer Gäste und ihrer Empfindungen geworden. Ein schönes Experiment.

Wie sieht es mit Lyrik aus oder schreiben Sie die auch selbst?
Nein, da gefällt mir ein irischer Sinnspruch sehr gut. Es geht so: Nimm dir Zeit, um zu arbeiten – es ist der Preis des Erfolgs. Nimm dir Zeit, um zu denken – es ist die Quelle der Macht. Nimm dir Zeit, um zu spielen – es ist das Geheimnis der ewigen Jugend. Nimm dir Zeit, um zu lesen – es ist die Grundlage der Weisheit. Nimm dir Zeit, freundlich zu sein – es ist der Weg zum Glück. Nimm dir Zeit, zu träumen – es bewegt dein Gefährt zu einem Stern. Nimm dir Zeit, zu lieben und geliebt zu werden – es ist das Vorrecht der Götter. Nimm dir Zeit, dich umzusehen – der Tag ist zu kurz, um selbstsüchtig zu sein. Nimm dir Zeit, um zu lachen – es ist die Musik der Seele.

Wenn Sie noch mal anfangen könnten, was hätten Sie anders gemacht? Jetzt sagen Sie nicht: Meine Brille gleich bei Fielmann gekauft.
(Lacht). Anders gemacht hätte ich nichts. Ich bin dankbar für alles, ich habe Höhen und Tiefen erlebt. Diese Polarität gehört zum Leben. Aus Fehlern zu lernen, das ist etwas Wertvolles. Das gefällt mir an Bill Clinton zum Beispiel. You always have a second chance, sagte er mal. Du hast immer eine zweite Chance.

Gibt es andere Vorbilder für Sie?
Vorbilder habe ich nicht, aber ich kann Ihnen sagen, was mir an Menschen gefällt. Als Kind habe ich oft »Bonanza« geguckt. Das Zusammenspiel der vier Cartwrights Little Joe, Hoss, Adam und Ben und dem chinesischen Koch Hop Sing fand ich großartig. Die sprühende Intelligenz von Commander Spock mit den langen Ohren im Raumschiff Enterprise war klasse. Genauso das, was heute Multikulti heißt: Eine schwarze Kommunikationsoffizierin küsst einen Weißen, ein Russe und ein Japaner waren an Bord vom Raumschiff Enterprise – und das alles in den 70er Jahren im Kalten Krieg. Das fehlt uns heute oft: Offenheit und Verständnis für andere Kulturen. Das ist gerade für Deutschland wichtig. Wir brauchen intelligente, junge, familienfreundliche Zuwanderer aus aller Welt, sonst brechen unsere so lieb gewonnenen Systeme langsam zusammen, von der Rente bis zum U-Bahn-Verkehr. Der Weg zur Altenrepublik ist kurz.

Sie sind ja viel gereist, aber nennen Sie mal spontan die drei oder vier schönsten Erlebnisse.
Auf dem Fahrrad vom Atlantik zum Mittelmeer durch Südwestfrankreich fahren, im Hausboot durch Kanada, im Allradcamper durch Flüsse im Norden Australiens, im Dachzelt in Namibia übernachten und Tiere beobachten, barfuß am Strand von Sylt lang laufen und in Tirol von Berghütte zu Berghütte wandern.

Was verabscheuen Sie?
Heuchelei, Mobbing, Denunziation, Hinterlist und Maronenmarmelade.

Schauen Sie Fernsehen?
Selten, aber wenn’s passt, dann »Pastewka«, »Weltspiegel«, »Die Sendung mit der Maus« und »Wer wird Millionär?«.

Was tun Sie gegen Stress?
Für Stress habe ich keine Zeit.

Wir schenken noch mal Tee nach. Den mögen Sie doch, oder?
Ja, Weißer Tee ist etwas Besonderes für mich. Da kommt es auf die Zubereitung an und wie er serviert wird – gerade wie beim Schreiben auch. Ich bin selbst sozusagen Teeologe. Ich habe für jeden Gemütszustand die passende Sorte. Heute morgen brauchte ich einen Earl Grey.

J.K.